01/01/2021

Corona sorgt für mehr Technologie-Silos – CEX Trendradar 2021 zeigt eine neue Notwendigkeit für Strategie und Governance

Launige Worte zum Einstieg: Pünktlich zum Jahresbeginn veröffentlichen wir unseren CEX Trendradar 2021. Diesen habe ich zusammen mit Harald Henn im letzten Jahr zum ersten Mal vorgestellt und seine Funktionsweise erklärt. Nach der Premiere zu Beginn 2020 haben wir im Lauf des Jahres viele Anregungen erhalten, mit vielen Mitstreitern an Universitäten und Fachhochschulen, Kunden, CX Begeisterten und Analysten diskutiert, diverse Studien herangezogen und eine Prognose für 2021 erstellt. Die Corona Pandemie hat einiges durcheinander gewirbelt. Manche Entwicklungen hatten wir ursprünglich optimistischer und mit mehr „Drive“ eingeschätzt; vor allem technologisch getriebene Themen haben dagegen deutlich mehr an Dynamik gewonnen als wir gedacht hatten.

Prof.Dr. Nils Hafner

Er ist Professor für Kundenbeziehungs-Management an der Hochschule Luzern und nimmt verschiedene Lehraufträge an mehreren europäischen Hochschulen wahr.

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1. People: Die konzeptionellen, menschbezogenen Themen stagnieren.

So richtig viel hat sich hier – leider – nicht bewegt. Dass die CX Strategie eine Schlüsselfunktion einnimmt, hatten wir schon vor einem Jahr erwähnt. Solange die Vernetzung mit der Unternehmensstrategie nicht vollzogen wird, bleibt es bei taktischen, operativen Initiativen, die aber in der Organisation selten richtig verankert sind und oft nur toleriert, aber nicht wirklich akzeptiert sind. Wir gehen davon aus, dass es 2021 zwar vorangeht, aber eher zäh. Wobei festzustellen ist, dass in Unternehmen, die ihre Geschäftsmodelle in Teilen oder komplett digitalisiert haben (z.B. e-Commerce als Ergänzung zum stationären Vertrieb) die Erkenntnis für die Notwendigkeit einer CX-Strategie deutlich ausgeprägter ist als in rein analogen oder primär analog betriebenen Geschäftsmodellen. Die Daten und Erkenntnisse aus den digitalen Geschäfts-Modellen sind Treiber für die langfristigen Optimierungen der CX-Strategie.

CX Innovations-Management: Fehlanzeige.

Hier ist ein Stillstand, wenn nicht sogar ein Rückschritt zu verzeichnen. Das Bild vom Kaninchen vor der Schlange drängt sich unweigerlich auf. Die in 2020 gestrichenen Entwicklungsbudgets schlagen 2021 leider voll durch. Wie lange der Zustand der Paralyse anhält, lässt sich aktuell schwer abschätzen.

Neu aufgenommen haben wir das Thema CX Governance in der Dimension People

Um die Nummerierung des CEX Radars im Vergleich zu 2020 nicht zu verändern, wird dieser Trend in der Grafik als Nummer 5a geführt. Der Governance kommt primär eine koordinierende Rolle zu. Gerade technologisch sind 2020 sprunghaft einzelne CX Inseln entstanden, vor allem im Vertrieb. Infrastruktur zementiert aber organisatorische Silos. Es muss zwingend eine Governance entwickelt werden, wie die einzelnen organisatorischen Verantwortungsbereiche so zusammenarbeiten, dass eine durchgehend differenzierende Customer Experience entstehen kann. Wir beobachten, dass das Bemühen, im Verkauf „Wow Momente“ zu ermöglichen, zur Zeit voll zulasten der Servicebudgets ausgetragen wird. Ohne klare Spielregeln und Commitments entsteht die typische „Vorne Hui und hinten Pfui“-Situation, in der der Brand-Promise-Gap grösser wird und die Kunden scharenweise wegen reihenweise gebrochener Leistungsversprechen im Service zur Konkurrenz abwandern.  Dies zwingt Unternehmen aller Branchen zu Prototypen bei der Konzeption einer CX Governance.

2. Process: Etwas mehr Bewegung und vor allem das Bedürfnis nach verlässlich skalierbaren Problemlösungen.

Erfreulich ist die Weiterentwicklung der Value Irritant Matrix als Handlungsanleitung für Unternehmen, die Automatisierungs-Technologien einsetzen wollen – oder müssen. Gerade im E-Commerce prognostizieren wir, dass kein Unternehmen, welches dieses Instrument nicht einsetzt, zu Amazon aufschliessen kann. Für Banken und Versicherungen, Telekommunikationsdienstleister und Logistikunternehmen wird der Einsatz über das Überleben am Markt zu konkurrenzfähigen Preisen entscheiden. Die stetige Präsentation und das gebetsmühlenartige Vorstellen dieser Methode unsererseits zeigt Wirkung. In Ausschreibungen für das Erstellen einer Omnikanal Roadmap taucht die Value Irritant Matrix verstärkt als zu nutzendes Instrument auf. In immer mehr Unternehmen etabliert sich die Value Irritant Matrix als hilfreiche Methode zur Beurteilung von Investitions-Entscheidungen bei Vereinfachung und Automation. 2021 wird das grosse Jahr für die Früherkennung und das systematische Abstellen von sich wiederholenden Fehlern. Gerade Unternehmen mit Margendruck sollten 2021 die Mengengerüste ihrer Kundendialoge erheben und einzelne Prototypen nach der Value Irritant Matrix ausrichten.

Gefährlich wird 2021 die Stagnation beim Thema Omnichannel. Gefährlich deshalb, weil die Unternehmen auf der einen Seite massiv in Technologien wie z.B. Instant Messaging oder textbasierte Chats investiert haben, gleichzeitig die notwendige Vernetzung der Technologien für konsistente und durchgängige Kundenreisen nicht stattgefunden hat. Statt vier oder fünf unterschiedliche Kanäle, die bedient werden, sind es nach diesem furchtbaren Corona-Jahr nun sieben, acht und mehr, die isoliert nebeneinander existieren und die zudem noch in unterschiedlichen Organisationseinheiten betreut und verantwortet werden. Das ist einerseits sogar verständlich: Die Abteilungen Vertrieb, Marketing und Service haben aufgrund der extremen Herausforderung, den Kontakt zu Interessenten und Kunden aufrecht zu erhalten, schnell Systeme am Markt beschafft, die ein einzelnes Problem in einer einzelnen Abteilung lösen. Sehr deutlich zu beobachten bei Versicherungen, bei denen der Aussendienst keine Möglichkeit mehr hatte, Termine bei Interessenten zu vereinbaren und wahrzunehmen. Hier haben Lösungen, die eine integrierte Terminvereinbarung, Videoberatungen, Authentifizierung und digitale Signatur für einen rechtssicheren Abschluss anbieten, einen regelrechten Boom erlebt. Für den Vertrieb natürlich eine praktikable Lösung. Da die Kundenreise aber weder im Vertrieb beginnt noch dort endet, wird die notwendige Koordination und das Design der durchgängigen End-to-End Journey aber dann doch später noch erfolgen müssen. Wohl erst ab 2022. Bis dahin werden das jedoch einige Kunden gemerkt und ihre Konsequenzen gezogen haben. 

Technologien haben in 2020 die Prozesse und die Konzeption vielfach überrollt. Die Stagnation bei Omnichannel wird mittelfristig teuer bezahlt werden. Die ersten, die Versäumnisse spüren, sind die Kundenservice-Abteilungen. Mit dem starken Anstieg des Online Handels – auch durch Unternehmen, die bislang rein stationär im Markt agierten – steigt auch die Anfrageflut der Kunden. Darüber wurde sich jedoch erst Gedanken gemacht, als das Kind schon in den Brunnen gefallen war. Fragen zu Versandterminen, fehlerhaften Rechnungen, Teil- und Fehllieferungen können nur durch die systematische Automatisierung und Unterstützung von Mitarbeitern durch geeignete Systeme effizient abgearbeitet werden. Die „Aufrüstung“ auf der Vertriebs- und Marketingseite hat die verstärkte Implementierung von Customer Service Lösungen vorangetrieben. Hier ist die Entwicklung deutlich schneller vorangeschritten als ursprünglich von uns prognostiziert. Wir haben uns zudem entscheiden die Begrifflichkeiten zu ändern. Den ursprünglich etwas enger gefassten Begriff Service Ticketing haben wir in Service Cloud geändert. Dies spiegelt die Entwicklung wesentlich besser wider. Denn oftmals ist bei einem Wachstum der Servicekontakte um den Faktor fünf bis zehn eine cloudbasierte Infrastruktur die einzige Möglichkeit, die verbleibt, um nur halbwegs zeitnah mit den Kundenansprüchen Schritt zu halten. Auch wenn sich innerhalb der Service Cloud die Integration verschiedener Systeme (z.B. Kontakthistorie, Self-Service Angebote etc.) stark weiterentwickelt hat, bleibt unsere Aussage zu Omnichannel Management unberührt. Die Vernetzung mit Vertrieb und Marketing stagniert, hier muss prozessual (Omnichannel) wie auch organisatorisch (CX Governance) dringend nachgearbeitet werden. Viele Unternehmen scheinen uns leider hier nach wie vor auf der Stufe der unbewussten Inkompetenz. Das erklärt den enormen Spread dieses Themas.

Der Wunsch der Führungskräfte nach einem aussagekräftigen Management Cockpit – am besten visuell anschaulich in Dashboards und Grafiken präsentiert – ist die eine Seite der Medaille. Die Integration der unterschiedlichen Datenlieferanten in ein System ist lediglich eine Fleißaufgabe. Nicht mehr. Die andere und problematischere Seite stellt die Auswahl der Kennziffern selbst dar. Die Standard-KPI´s wie Kundenzufriedenheit, NPS oder Customer Effort Score sind nur eingeschränkt tauglich, um den Entscheidern Handlungsempfehlungen auszusprechen. Sie sind zwar einfach zu ermitteln und deswegen attraktiv, aber darin liegt auch ihre Gefahr. Die Aussagekraft zu der Leistungsfähigkeit einer Kundenreise und zu den Auswirkungen auf schlechte Performance entlang der Touchpoints ist eingeschränkt. Den Kennziffern kann man schlecht einen Vorwurf machen; sie sind ursprünglich nicht mit dem Ziel, Customer Experience Management zu unterstützen, konzipiert worden. Erst die Verknüpfung mit prozessualen Kennzahlen und Erfolgskennzahlen jedoch führt zu einem Cockpit eines brauchbaren Reifegrads. Geschieht dies, werden CX Cockpits branchenübergreifend die Schwelle zur Akzeptanz „ankratzen“.

3. Technology: Hier spielt in Corona-Zeiten enorm die Musik – ein CX Dirigent fehlt jedoch allenthalben

Eine zum Teil sehr dynamische Entwicklung ist in diesem Bereich zu verzeichnen. Diese setzt sich auch in 2021 fort. Es sind drei Technologien, die in unserem CEX-Trendradar für die grössten Veränderungen sorgen: Instant Messenger/textbasierte Bots, NLP/digitale Assistenten und Augmented Reality. Alle drei sind AI-basiert und weisen Gemeinsamkeiten auf, die für die Verschiebung in unserem Reifegradmodell verantwortlich sind. Einige Kommunikationswege wurden in der Pandemie schlicht unpassierbar. Niederlassungen, Filialen, Geschäfte mussten zeitweise schliessen. Die Verbindung der Kunden mit den Unternehmen in der gewohnten Art und Weise war unterbrochen. Zwangsweise haben sich neue Technologien als Ersatz durchgesetzt. Welche das jedoch sind, und wie wir diesem im CEX Trendradar einordnen, dass erfahrt Ihr, liebe Leser, drüben bei meinem Kollegen und Co-Autoren Harald Henn auf seinem Blog. 

Gesamthaft sind wir der Ansicht, dass zum Thema Customer Experience die operative Hektik 2020 sprunghaft höher geworden ist und dieser Trend auch 2021 anhält. Die durch technische Errungenschaften erreichten Vorteile sind jedoch – wenn überhaupt – nur kurzfristiger Natur. Eine durchgehende differenzierende Kundenerfahrung ist nur bei wenigen Unternehmen erkennbar. Grund dafür ist, dass Themen wie Strategie, Innovation, Governance und Omnichannel, die richtungsgebende und koordinierende Funktionen haben, komplett auf der Strecke bleiben und dem kurzfristigen Verkaufen, aber auch in einigen Branchen dem schlichten Überleben geopfert werden (müssen).

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Wirtschaftswissenschaftler Prof. Dr. Nils Hafner und Customer Experience-Experte Harald Henn stellen die wichtigsten Trends für das Customer Experience Management für das Jahr 2024 vor.

Was Sie erwartet:

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  • die Beschreibung und Einordnung der 20 Einzeltrends,  
  • mehr als 10 spannende Leuchtturmprojekte ,
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